_____________________________________ EIKON DAS SPRACHLICHE BILD BEI PLATON Cat
_____________________________________ EIKON DAS SPRACHLICHE BILD BEI PLATON Catharina Graf, 2005 _____________________________________ Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS.................................................................................2 1. EINLEITUNG................................................................................................3 2. VON DER IDEE ZUM BILD..........................................................................5 2.1 Die Idee .............................................................................................................................................5 2.2 Das Bild ............................................................................................................................................ 8 2.3 Mimesis ...........................................................................................................................................11 2.3.1 Die mimetische Produktion...................................................................................................... 11 2.3.2 Die mimetische Rezeption........................................................................................................13 3 DAS SPRACHLICHE BILD.........................................................................16 3.1 Produktion des sprachlichen Bildes..............................................................................................16 3.2 Rezeption des sprachlichen Bildes................................................................................................18 4 SCHLUSS: VOM BILD ZUR IDEE?........................................................... 21 5 BIBLIOGRAPHIE........................................................................................ 24 Sekundärtexte......................................................................................................................................24 Lexika und Wörterbücher: ............................................................................................................... 25 © Catharina Graf, 2003 info@catharinagraf.ch 2 1. Einleitung Die Rolle des Bildes im platonischen Weltbild scheint klar definiert zu sein. Im allseits bekannten Höhlengleichnis beispielsweise wird das Bild als Täuschung bezeichnet, die von der Erkenntnis der Wahrheit, der Idee, ablenkt: Der Mensch sieht in erster Linie Abbilder einer Wirklichkeit, die über das wahre, unsichtbare Wesen der Dinge hinwegtäuschen. Menschen, die handfeste Bilder wie Gemälde verfertigen, sitzen nicht nur dieser Lüge auf, sondern verbreiten sie auch noch und stehen damit der wahren Erkenntnis im Wege. Doch untersucht man Platons Gebrauch des Wortes Bild, griechisch , genauer, scheint er sich selbst in überraschender Weise auf Bilder zu verlassen: Mit wird nicht nur das „Bild“ im herkömmlichen Sinne bezeichnet, sondern auch die Gleichnisse, deren sich Platon haufenweise bedient – an vorderster Stelle das Höhlengleichnis. Wie lässt sich dieser Gebrauch des Bildes innerhalb einer Philosophie verstehen, die ikonoklastische Züge trägt? Das griechische Wort wird von Platon aus seinem ursprünglichen Bedeutungsfeld, nämlich dem Bild im Sinne von „Porträt“ oder „Statue“, in die Rhetorik übertragen und damit zu einem „sprachlichen Bild“.1 Die Vorstellung eines sprachlichen Bildes scheint widersprüchlich - denn zeichnet sich das Bild nicht in erster Linie durch seine Materialität aus, durch die Tatsache, dass es sinnlich erfahrbar ist? In modernen Diskussionen um sogenannte linguistic und iconic turns werden Sprache und Bild gar als gegensätzliche Konzepte betrachtet und gegeneinander ausgespielt. Vor diesem Hintergrund ist ein „sprachliches Bild“ nur in einem übertragenen Sinne zu verstehen. Der Begriff „Bild“ wird in diesem Zusammenhang selbst wiederum zum Bild, zum Bild für eine Form des sprachlichen Ausdrucks, die an die Fähigkeiten des eigentlichen, des materiellen Bildes anlehnt. 1 „Before being used as a rhetorical term, eikwn meant „statue“, „portrait“ or „image.“ McCall, Marsh H.: Ancient Rhetorical Theories of Simile and Comparison, Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press, 1969. © Catharina Graf, 2003 info@catharinagraf.ch 3 Der erste Schritt zum einer Erklärung, warum Platon das sprachliche Bild an zentralen Stellen seiner Dialoge benutzt, besteht daher darin, die Stellung des materiellen Bildes in der platonischen Philosophie nachzuzeichnen. Da das Abbild in erster Linie über seine Distanz zu der Wahrheit der Ideen definiert wird, ist es sinnvoll genauer zu definieren, was Platon unter dem Begriff Idee versteht. In einem zweiten Schritt soll an zwei Beispielen von sprachlichen Bildern deren Beschaffenheit beschrieben werden. Die sprachlichen Bilder, wie sie Platon benutzt, weisen erstaunliche Ähnlichkeiten zu dem auf, was er als Idee bezeichnet. Sind die sprachlichen Bilder nun als Bilder der Idee zu verstehen? Wenn ja, wie ist dies zu begründen? Diesen Fragen soll im Schlusswort nachgegangen werden. Diese Untersuchungen sollen verdeutlichen, dass Platons Gebrauch von sprachlichen Bildern nicht nur in einem rhetorischen Sinn zu verstehen ist, sondern als Teil seines philosophischen Systems funktionieren. Die Grundlage für diese Erörterung bieten die Dialoge der Politeia. Zwar lassen sich in fast allen Dialogen Platons sprachliche Bilder finden, doch in der Politeia sind sie jeweils an Schlüsselstellen der Argumentation eingesetzt und nehmen eine zentrale Stelle in der Begründung des platonischen idealen Staates ein. © Catharina Graf, 2003 info@catharinagraf.ch 4 2. Von der Idee zum Bild 2.1 Die Idee Um die Stellung des Bildes zu erläutern lässt Platon Sokrates die Trias Idee – Ding – Bild vorstellen. Das Grundprinzip ist schnell erklärt: Das Ding, so Sokrates, stelle eine Ausführung der Idee dar, das Bild beziehe sich auf das Ding und stehe somit in einer grossen Entfernung von der Wahrheit, sprich: von der Idee.2 Mit dieser Analogie soll in erster Linie verdeutlicht werden, weshalb das Bild verwerflich sei. Doch aus ihr lassen sich interessante Rückschlüsse auf das Verständnis dessen ziehen, was Platon mit dem Begriff der Idee, griechisch oder bezeichnet: Ausgehend von der Trias Idee –Ding – Bild entwirft Sokrates eine zweite Analogie, die vom „Wesensbildner“, der die Ideen gemacht habe, über den „Werkbildner“, der Dinge herstelle, zum Maler führt, der die hergestellten Dinge nachahme.3 Die seltsame Annahme eines Wesensbildners gibt den Ideen den Hauch von Materialität, denn sie legt nahe, dass die Ideen in gewisser Weise hergestellt worden sind, wie alles andere auch. Seltsam ist die Einführung des Wesensbildners deshalb, weil etwas Ähnliches an keiner anderen Stelle in den erhaltenen platonischen Schriften auftaucht.4 Es wird daher vermutet, dass sie aus einem rhetorischen Zwang gewachsen sei.5 Es soll hier nicht darum gehen zu entscheiden, wie ernst zu nehmen die Vorstellung des Ideen-Machers ist, sondern darum, was uns diese Annahme 2 Politeia 595a ff. Die Zitate stammen aus folgender Ausgabe: Platon, Sämtliche Werke in der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, hrsg. v. Otto, Walter F. und Grassi, Ernesto, Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt, 1969 (1958), Band III. 3 Politeia 597a ff. 4 Vgl.: „The idea that a god has created ideas has disturbed every careful reader of Plato.“ Chermiss, Harold: „On Plato’s Republic x, 597b“, in: American Jounal of Philology, 53, 1932, S. 233. 5 „[Plato’s] talk of a god making the Form can be explained as the completion of a hierarchy of producers to match that of the picture, the bed, the Form.“ Janaway, Christopher: Images of Excellence: Plato’s Critique of the Arts, Oxford: Clarendon Press, 1995, S. 112.[= Janaway] © Catharina Graf, 2003 info@catharinagraf.ch 5 über die Beschaffenheit der Ideen sagen könnte. „Gott ( ) [hat], weil er wahrhaft der Verfertiger des wahrhaft seienden Bettgestells ( ) sein wollte und nicht eines einzelnen Bettgestells, noch auch ein Tischler, es als eines dem Wesen ( ) nach gebildet.“6 Die Vorlage für eine Idee, beispielsweise die Idee des Bettes, sei die Natur oder das „Wesen“ des Bettes. Die Idee des Bettes zeichne sich vor allen anderen Betten dadurch aus, dass sie die einzige sei, die „wahrhaft ist“. Ideen sind per definitionem einzigartig, es gibt nichts, was mit der Idee des Bettes identisch ist. Anstelle des deutschen „wahrhaft“ wird im griechischen das „sein“ fast schon tautologisch wiederholt, was zu der Vermutung einlädt, dass es sich bei diesem „sein“ um eine reine Form des „Seins“ handeln muss. Sokrates stösst uns mit der Nase auf die Tatsache, dass die Ideen „sind“, und zwar in einer reineren Form des Seins als alles Andere: Eine Idee ist nichts Anderes als sich selbst. Die Idee des Bettes nimmt einen klar definierten Platz ein gegenüber allen anderen Ideen, Dingen sowieso. Der Idee des Bettes ist keine andere Idee ähnlich, die teilt ihr Sein mit nichts Anderem. Und weil es nichts gibt, was der Idee des Bettes ähnelt, ist sie nicht darstellbar – zumindest nicht in einer Darstellungsform, die über die Ähnlichkeit funktioniert. Die Analogie Bild – Ding – Idee legt jedoch nahe, dass nicht nur das Bild ein Abbild eines Dinges darstellt, sondern dass auch zwischen der Idee und dem Ding eine Form von Abbildungsverhältnis besteht. „[Es gibt doch] viele Bettgestelle und Tische? – Wie sollte es nicht. – Aber Begriffe ( ) gibt doch nur zwei für diese Geräte [...] Und pflegen wir nicht zu sagen, dass die Verfertiger jedes dieser Geräte, auf den Begriff sehend ), so der eine Bettgestelle macht, der andere Tische [...] ?“7 Für jede Klasse von Dingen ist eine Idee zuständig. Wenn ein Mensch nun 6 Politeia, 597d 7 Politeia 596 abc © Catharina Graf, 2003 info@catharinagraf.ch 6 ein Ding herstellen möchte, so muss er auf die Idee blicken. Es scheint, als ob die Idee die Fähigkeit einer inneren Optik, ein inneres Auge voraussetze. Die Formulierung legt die Vermutung nahe, dass die Idee in einer Form von Sichtbarkeit existiert, in einer Form, auf die der Mensch visuell zurückgreifen kann. Die Etymologie des Wortes bestätigt diese Vermutung.8 wurzelt im Verb , was sehen bedeutet. selbst ist wiederum als Vergangenheitsform aus dem Verb i, wissen, entstanden. Die Vergangenheitsform des Aorists bedeutet laut Grammatik eine einmalige Handlung, die sich aber auf die Zukunft auswirkt - man könnte daher sagen, dass ein Ding zu sehen im griechischen Sprachgebrauch eigentlich bedeutet, dass das Ding in der Vergangenheit einmal „gewusst“ , oder besser verstanden, worden ist und von da an gesehen werden kann. Die Begriffe sehen und wissen sind sprachlich eng miteinander verknüpft. Der Idee liegt eine uploads/Litterature/ eikon-das-sprachliche-bild-bei-platon-pdf.pdf
Documents similaires










-
28
-
0
-
0
Licence et utilisation
Gratuit pour un usage personnel Attribution requise- Détails
- Publié le Jul 05, 2021
- Catégorie Literature / Litté...
- Langue French
- Taille du fichier 0.1590MB