I ZEITSCHRIFT FÜR ÄGYPTISCHE SPRACHE UNI) ALTERTUMSKUNDE MIT UNTERSTÜTZUNG DP:R

I ZEITSCHRIFT FÜR ÄGYPTISCHE SPRACHE UNI) ALTERTUMSKUNDE MIT UNTERSTÜTZUNG DP:R DEUTSCHEN MORGENLANDISCHEN GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON GEORG STEINDORFF NEUNUNDVIERZIGSTER BAND MIT 18 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 10 TAFELN LEIPZIG J. C. HINRICHS'scHE BUCHHANDLUNG 1911 Die »Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde wurde begründet 1863 von Heinrich Brugsch und herausgegeben von: C. R. Lepsius mit H. Brugsch 1864— 1880, C. R. Lepsius mit H. Brugsch, A. Erman, L. Stern 1881— 1884, H. Brugsch und L. Stern 1885—1888, H. Brugsch und A. Erman 1889— 1893, H. Brugsch und A. Erman mit G. Steindorff 1894, A. Erman und G. Steindorff 1895— 1906, G. Sieindorff seit 1907. Inhalt des 49. Bandes. Seitp Blackmun, A. M. Some Chapteis of the Totenbuch and other Texts oii a Middle Kingdoiii Coffiii (mit 1 Tafel) 54—66 — The Infinitive Form Sd/nt-f witii Precedins^ „jl^ aiid ^-^^-^ 103 105 Borchardt, L. Eine Reisesonnenuhr aus Ägypten (mit 2 Abbildungen) 66—68 Rurchardt, M. Datierte Denkmäler der Berliner Sannnlung aus der Achämenidenzeit (mit 3 Licht- drucktafeln und 4 Abbildungen) 69 80 Devaud, E. A propos d'un groupe hieratique 106 116 Einher, A. Kindred Semito-Egyptian Words 93—94 — Semito-Egyptian sound-changes 87 92 Gardiner, A. H. "To wait for'" in Egyptian 100— 102 Grapow, H. Bedrohungen der Götter durch den Verstorbenen 48—54 — Beiträge zur Erklärung des Totenbuches 42—47 — Zur Bedeutung und Geschichte einer Hieroglyphe 116— 119 Meinhof, C. Zur Entstehung der Schrift (mit 5 Tafeln) 1— 14 Montet, P. Notes d'epigraphie et de paleographie egyptiennes (mit 8 Figuren) 120— 125 Sethe, K. Das Wort für König von Oberägypten 15—34 — Der Name »Merui-tensi« und die Entwicklung der Filiationsangabe bei den Ägyptern . . . 95—99 Spiegelberg, W. Augustus 'P'j|uaioi; (mit 1 Schriftbild) 85—87 — Aus der Straßburger Sammlung demotischer Ostraka (mit 1 Tafel und 1 Schriftbild) . . . 34— 41 — Der ägyptische Name von Pelusium (mit 1 Schi'iftbild) 81— 84 Miszellen : Davies, N. de G. The god Shed in the Eighteenth Dynasty (mit 1 Abbildung) 125— 126 Devaud, E. Sur une formule ptolemaique 131— 132 Spiegelberg, W. Amon als Gott der Luft oder des Windes {nviiua) 127— 128 — Die demotische Schreibung des Namens Tebtynis 130 — »Kronos, der jüngste der Götter«' 129 — Zu der Bedeutung der Totenstatuetten 127 — Zu der Etymologie von Memphis bei Plutarch, Isis und Osiris Kap. 20 129—130 — • Zu der naophoren Statue Nr. 97 im Vatikan 130— 131 — Zu Ka =: ..Schutzgeist.. 126—127 Erschienene Schriften 132— 1.34 Digitized by the Internet Archive in 2010 with funding from Brigham Young University http://www.archive.org/details/zeitschriftfr49brug C. Mein HOF : Zur Entstehung der Schrift. [49. Band. 1911.] Zur Entstehung der Schrift. Von Carl Meinhof. Mit 5 Tafeln. Die Entstehung der Schrift ist nicht als eine geradlinige Entwicklung zu denken, wie sie sich leicht für das Auge des Beschauers darstellt, der rückwärtsblickend am Ende des langen Weges steht. Wir werden bei dieser wichtigen Erfindung des menschlichen Geistes vielmehr dasselbe Gesetz beobachten, das auch sonst sich in der Geschichte der Erfindungen wiederholt. Ein praktisches Interesse führt bei den verschiedensten Völkern zu dem Anfang der Erfindung. Bei manchen Völkern bleibt es bei diesen Anlangen, oder sie gehen auch wieder verloren, und das Erfundene wird noch einmal erfunden. Bei anderen Völkern hält man das Erfundene fest, das man selbst gewonnen luit oder von anderen lernte, und sucht es weiterzubilden. Nach manchem Mißgriff und Irrweg stellt sich dann im Verfolg der praktischen Übung irgendwo ein Fortschritt ein, der unter der Gunst besonderer Verhältnisse zu weiteren Fortschritten führt, bis nach langem Irren und Tasten endlich hier und da das Rechte gefunden wurde. So etwa wäre wohl die Geschichte auch dieser Erfindung zu denken. Selbst- verständlich kann nun der Fall eintreten, und er ist ja auch oft genug eingetreten, daß der irgendwo erreichte Fortschritt nicht von allen Menschen mitgemacht wird, sondern daß viele auf der alten Stufe stehen bleiben, und nur wenige den Weg vorwärts wählen. Die Gewohnheit ist dem Menschen immer lieber gewesen als der Fortschritt. Auch kann es nicht fehlen, daß bei Völkern, die fernab von den Segnungen einer höheren Kultur leben, in einer späteren Zeit, ja heute noch Erfindungen gemacht werden, die für den Kulturmenschen der Vorgeschichte angehören. Das eben ist aber für das Verständnis vorgeschichtlicher Vorgänge von höchstem Wert, wenn man bei der Rekonstruktion dieser Urgeschichte nicht auf freie Schöpfungen der Phantasie angewiesen ist, sondern am lebenden Menschen beobachten kann, wie die Dinge unter seinen Händen entstehen. Die kulturärmeren Völker Afrikas besitzen nun eine Anzahl P]rfindungen, die für die Entstehung der Schrift lehrreich sind, und wir können, meines Erachtens, von ihnen lernen. Es waren zunächst verschiedene Bedürfnisse, die zur Entstehung der Schrift führten. Das erste ist die künstlerische und mythologische Phantasie, die die Darstellung von allerlei Dingen gebrauchte als Zierat und zu religiösen Zwecken. So hat der Buschmann Südafrikas die Felsenwände bedeckt mit seinen Malereien. Ob diese Gruppen von Kühen, Menschen, wilden Tieren, die er abbildet, aus reiner Freude am künstlerischen Schaffen oder aus andern Gründen Zeitschr. f. Ägypt. Spr., 49. Band. 1911. ^ 2 C. Meinhuf : Zur Entstehung der Schrift. [49. Band. entstanden sind, wissen wir nicht. Jedenfalls übte man die Kunst, ein Rind, einen Menschen, einen Löwen darzustellen und konnte die Geschichte eines feind- lichen Überfalls oder einer Jagd auf diese Weise ftir sich oder andere aufzeichnen. Das sind vorbereitende Schritte für die Schrift. Eine andere Kunstfertigkeit ist in ganz Afrika in Gebrauch, die Verzierung von Töpfen, Kalebassen, Stühlen, Trommeln und anderen Gebrauchsgegenständen. Allerlei Tiere, wie Schlangen, Frösche, Chamäleons, werden dabei verwandt und bei handwerksmäßigem Betrieb immer stärker stilisiert. Man wendet schließlich nicht mehr die Sorgfalt auf die Herstellung, und das sich ergebende Bild, das dem ursprünglich gemeinten kaum noch ähnelt, ist zu einem konventionellen Zeichen für ein Krokodil, eine Fleder- maus, eine Schlange geworden. Auch das wieder ist eine Fertigkeit, die bei der Erfindung der Schrift eine Rolle spielt'. Dabei hat die Verzierung von allerlei (gegenständen einen sehr verschiedenen Anlaß. Wir sind geneigt, meist zuerst an reines Schmuckbedürfnis zu denken, und das liegt wohl gewiß in manchen Fällen vor. Aber ich glaube, daß dies Motiv seltner ist, als man gewöhnlich annimmt. Viel stärker sind in der Regel zauberische bzw. religiöse Motive. Schon die Wahl der Tiere, die man zur Verzierung benutzt, läßt darauf schließen. Wundt bezeichnet diese Tiere sehr treffend als Seelentiere (Völker- psychologie Band II. 2, S. 72ff.). In vielen Fällen läßt sich ja der religiöse Ursprung eines Schmucks noch in unserer modernen Zeit nachweisen. Die Kreuze, mit denen man allerlei Gerät verziert, die der Bäcker auf dem Brot, die Bauerfrau auf der Butter anbringt, stammen aus religiösen, christlichen Anschauungen. So sind ja für primitive Verhältnisse die magischen Motive sicher häufiger als rein künstlerisch (\ Aber noch einen anderen Zweck können allerlei Zeichnungen haben, nämlich den für uns bei der Schrift am nächsten liegenden der Aufzeichnung von Dingen, die man nicht vergessen will. Schon jene Buschmannzeiclinungen haben diesem Zweck vielleicht gedient. Eine Reihe von Erztafeln aus Benin am Niger"^ stellen zweifellos bestimmte Ereignisse dar: wie der König ausreitet, von seinen Getreuen beschirmt, wie man auf die Jagd geht und Vögel schießt u. dgl. m. Diese Er- eignisse wurden, soweit sie den König betrafen, in Erz gegossen und so vor dem Vergessen bewahrt. Unter gewöhnlichen Verhältnissen mußte man sich natürlich mit billigerem Material begnügen. Wie einfach das sein kann, zeigt folgende ingeniöse Erfindung, die übrigens auch in Amerika^ gemacht ist. Missionar Spieth fand^ in der Hütte eines Ewe- negers in Togo eine Schnur, an der allerlei kleine Gegenstände aufgereiht waren, z. B. eine Feder, ein Stein und Ähnliches. Spieth hielt das Ganze für einen Zauber, ') Wundt, Völkerpsychologie Bd. IL 1, S. 186 ff. — '-) Eine große Anzahl davon befindet .sich im Mu.seum für ^'ölkerkunde zu Berlin. — =*) Vgl. Tschudi, Kechuaspiache, Wien 1853, Bd. 1, y. 24 if. — *) Mündliche Mitteilung vom Missionar Spieth. 191 l.J C. iMkiniiok: Zur Kntstehung der Schrift. ){ wurde aber darüber belehrt, daß es sicli um eine Sprichwörtersammlunif handelte. Die Eweleute besitzen eine große Menge treffender und zum Teil sarkastischer Sprich- wörter, und es ist Sitte, wenn jemand vor Gericht oder in der Volksversammlung spricht, daß er die Abschnitte seiner Rede mit einem Sprichwort schließt, um des Beifalls der Umstehenden sicher zu sein. Der Ewemann liat also einen starken Bedarf an Sprichwörtern, und jene Schnur iiatte den Zweck, ihm die bekannten immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Jeder der Gegenstände stellte das Stichwort eines solchen Sprichworts dar und war somit einer kurzen Notiz ver- gleichbar, wie wir sie uns über irgendeinen sonst gut bekannten Gegenstand machen. Wenn eine solche Sprichwörtersammlung nicht durch eine Schnur, sondein durch Zeichnung der betreffenden Gegenstände angelegt würde, so wäre ein Schritt weiter zur Schrift gemacht'. Diesen Schritt wagte ein Aufseher, der bei dem Bau der Usambaraeisenbahn in Ostafrika angestellt war. Der leitende Ingenieur, Hr. Joseph Friedrich, dem ich diese Mitteilung verdanke, hatte ihm eine Reihe von Geräten übergeben, die beim Bau gebraucht wurden, und fiir deren Vorhandensein er verantwortlich blieb. Der Mann konnte die Anzalil aller der verschiedenen Gegenstände nicht im Kopf behalten, und so half er sich mit Zeichnung. Die Ziffern hatte uploads/Litterature/ zaes-049.pdf

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